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Belgien: Verschärfung der Rechtsvorschriften für "Fernabsatzverträge"

 

Belgien: Verschärfung der Rechtsvorschriften für "Fernabsatzverträge"

 

Länderbeitrag von Rechtsanwalt Johan De Ridder, veröffentlicht in der Zeitschrift für europäische und internationale Steuer- und Wirtschaftsberatung iStR, 13/16, 30.06.2016, C.H.Beck Verlag, zum Artikel

 

Mit ausländischen Verkäufern geschlossene Fernabsatzverträge werden von den belgischen Steuerbehörden in Zukunft genau ins Visier genommen. Verbraucher, die bei ausländischen Onlineshops bestellen, um so von den niedrigeren MwSt.- Tarifen im Ausland zu profitieren (in Belgien beträgt die MwSt. immerhin 21%), sind dem belgischen Fiskus ein Dorn im Auge. Überschreitet der Jahresumsatz eines ausländischen Verkäufers einen bestimmten Schwellwert, so unterfallen die abgeschlossenen Fernabsatzverträge aktuell grundsätzlich dem MwSt.- Regime des Landes des Käufers. Dieser Grundsatz gelangt indes nur dann zur Anwendung, wenn die Lieferung der Waren an den Käufer eine Verpflichtung des Verkäufers darstellt. In Anwendung der innerhalb des „MwSt.- Ausschusses“ der Europäischen Kommission übereingekommenen „Richtvorgaben“, werden die belgischen Behörden diese Voraussetzungen in Zukunft weiter ausgelegt. Somit ist von nun an auch dann Rede von einem „Fernabsatzvertrag“, wenn der Verkäufer lediglich mittelbar an dem Transport beteiligt ist (Beschluss Nr. E.T. 128.714 vom 09. Februar 2016; Fisconetplus).

 

1. Fernabsatzverkauf nach Belgien

Die Regelungen über Fernabsatzverträge beruhen auf der Richtlinie 91/680/EEG – diese wurden nun in den Art. 33 bis 35 der Richtlinie 2006/112/EG umgesetzt. Gemäß diesen aktuellen Regelungen gilt in der EU generell der Grundsatz, dass im Falle des Versands von Waren durch einen bzw. im Namen eines in der EU ansässigen Verkäufers an eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Person, welche den Vorschriften über die auf innergemeinschaftliche Lieferungen anfallende MwSt. nicht unterfällt, der Lieferort grundsätzlich mit dem Versandort zusammenfällt. Auf solche Fernabsatzverkäufe ist sodann grundsätzlich die MwSt. des Ankunftslandes der Waren anzurechnen. Dieser Grundsatz gelangt indes nur solange zur Anwendung, wie der in dem Ankunftsland im vorangegangenen und laufenden Kalenderjahr erwirtschaftete Jahresumsatz den durch dieses Land festgelegten Schwellenwert unterschreitet (§ 3c UStG, Art. 15, § 1 belgisches MwStG, Art. 33 - 35 Richtlinie 2006/112/EG).

Gemäß Art. 34 Abs.1 Richtlinie 2006/112/EG beträgt dieser Schwellenwert grundsätzlich € 100.000,-. Der zweite Absatz dieser Vorschrift erlaubt es den europäischen Mitgliedsstaaten indes, den Schwellenwert auf € 35.000,- zu reduzieren, wenn der Mitgliedsstaat durch den hohen Maximalbetrag von € 100.000,- schwerwiegende Wettbewerbsverzerrungen befürchtet. Belgien machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und senkte den Schwellenwert für Fernabsatzverkäufe nach Belgien auf € 35.000,- (Art. 15, § 4, Abs. 2 belgisches MwStG). Ungeachtet dieses Schwellenwertes steht es dem Verkäufer selbstredend frei, auf seine Lieferungen nach Belgien unmittelbar belgische MwSt. anzurechnen. Eine solche Wahl hat sodann Auswirkungen für sämtliche während eines Zeitraums von zwei Jahren nach Belgien gelieferte Fernabsatzverkäufe (Rundschreiben Nr. 7/1995 vom 27. April 1995, Randnummer 20 ff.).

Konkret bedeutet dies, dass ein deutscher Onlineshop für Verkäufe an belgische Verbraucher die belgische MwSt. anrechnen muss, wenn sein aus diesen Verkäufen generierter Jahresumsatz den Schwellenwert von € 35.000,- überschreitet. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, rechnet der Verkäufer die deutsche MwSt. an. Anders gestaltet sich der Fall, wenn der Verkäufer für die unmittelbare Anrechnung der belgischen MwSt optiert.

Die Regelungen über den Fernabsatz gelten in Belgien auch für verbrauchssteuerpflichtige Waren (Art. 1, § 6, 4° belgisches MwStG; beispielsweise bei dem Verkauf von Wein). Diesbezüglich ist indes beachtlich, dass im Hinblick auf verbrauchssteuerpflichtige Waren kein Schwellenwert besteht, sodass bereits ab dem ersten Fernabsatzverkauf an einen in Belgien ansässigen Verbraucher die belgische MwSt. geschuldet wird. Auf neue Fahrzeuge findet die oben dargestellten Regelung wiederrum keine Anwendung (Art. 8bis, § 2 belgischen MwStG). Vielmehr muss in diesem Fall der Verkäufer, selbst wenn er Verbraucher ist, stets die auf innergemeinschaftliche Lieferungen des Fahrzeuges anfallende MwSt. abführen (vgl. Königlicher Erlass Nr. 46).

 

2. Weitere Auslegung des Begriffs „Lieferung durch den Verkäufer“

Die Besteuerung des Fernabsatzkaufs im Lande des Kunden (im Falle der Überschreitung des Schwellenwertes) gelangt nur dann zur Anwendung, wenn die Waren „durch den Verkäufer selbst bzw. in seinem Namen“ versandt oder transportiert werden. Diese Anwendungsvoraussetzung ist essentiell für die Bestimmung desjenigen Mitgliedstaates, in dem die MwSt- auslösende Handlung als stattgefunden erachtet wird. Eine Lieferung findet logischerweise dann im Namen des Verkäufers statt, wenn dieser die Waren selbst transportiert bzw. wenn er den Transport selbst an einen Dritten überträgt. In Belgien bestand sodann eine Diskussion betreffend die Frage, ob auch eine mittelbare Beteiligung des Verkäufers am Transport ausreicht, um einen Fernabsatzverkauf annehmen zu können (J. VAN DYCK, “Verkopen op afstand: doorslaggevend criterium is wie instaat voor het vervoer”, Fiscoloog 1993, afl. 421, 2; J. BUBLOT, “Le nouveau régime T.V.A. des ventes à distance: approche critique”, RGF 1994, 170.)

Die belgischen Steuerbehörden stellten fest, dass diese Anwendungsvoraussetzung in der Praxis jedoch oftmals durch die Verkäufer umgangen wird. Verschiedene ausländische Verkäufer verwiesen ihre Kunden vor dem Versand der Ware über einen Link auf ihrer Website an eine Spedition. Der Verkäufer meinte, so selbst nicht für den Transport verantwortlich zu sein und folglich können auch keine Rede von einem Fernabsatzvertrag sein. Dementsprechend sei die im Vergleich zu der belgischen, mit 21% hohen MwSt. die niedrigere MwSt. des Versandlandes anzurechnen (bspw. 17% Luxemburger MwSt., 19% deutsche MwSt.).

Der belgische Fiskus brachte diese Problematik sodann vor den MwSt.- Ausschuss, welcher als „beratender Ausschuss“ (Art. 398 Richtlinie 2006/112/EG) ein Forum für Konsultationen zwischen den Mitgliedsstaaten und der Europäischen Kommission darstellt. Obwohl die Standpunkte des Ausschusses lediglich als „Richtvorgaben“ zu qualifizieren sind, enthalten sie doch deutliche Vorgaben für die Auslegung durch die europäischen Steuerbehörden. Im Hinblick auf die Fernabsatzverträge konnte nun innerhalb des MwSt.- Ausschusses „Einigkeit dahingehend erreicht werden, dass eine zu strenge Interpretation des Begriffs „durch oder im Namen des Verkäufers“ den Mitgliedsstaaten einen zu weiten Auslegungsspielraum lässt, der sodann unterschiedliche Anwendungen des Begriffs in den Mitgliedsstaaten ermöglicht.“ „Eine weitere Interpretation des Begriffes ist daher wünschenswert; diese kann indes nur dann effizient umgesetzt werden, wenn sie in einer „Richtvorgabe“ des MwSt.- Ausschusses festgeschrieben wird und zudem die weitest gehende Unterstützung der Mitgliedsstaaten genießt.“ Die Diskussionen zwischen den Mitgliedsstaaten mündeten sodann in einer weiteren Definition des Begriffs der „Transport durch den Verkäufer“ (siehe Arbeitspapier Nr. 876 vom 4./5. Juni 2015).

Der durch den MwSt.- Ausschuss gefasste Beschluss wurde durch den belgischen Fiskus mittels der behördlichen Entscheidung Nr. E.T. 128.714 vom 09. Februar 2016 umgesetzt: von nun an wird in Belgien im Hinblick auf den Transport durch den Verkäufer eine weitere Auslegung gehandhabt. Es wird erwartet, dass die durch einen ausländischen Steuerpflichtigen getätigten Fernabsatzverkäufen nach Belgien von nun an den Bestimmungen der auf europäischem Niveau beschlossenen „Richtvorgaben“ entsprechen.

 

3. Konsequenz: Auch der mittelbare Transport durch den Verkäufer stellt einen Fernabsatzverkauf dar

Gemäß der belgischen MwSt.- Regelungen werden Waren in Zukunft in sämtlichen Fällen als „versandt oder transportiert durch oder im Namen des Verkäufers“ erachtet, in denen der Verkäufer unmittelbaren oder mittelbaren Anteil an dem Versand oder Transport der Waren hat.

In den folgenden Fällen wird somit die mittelbare Beteiligung des Verkäufers an dem Versand oder Transport von Waren angenommen:

  • „wenn der Versand oder Transport der Waren durch den Verkäufer an einen als Subunternehmer agierenden Dritten weitergegeben wird, der die Waren sodann beim Käufer abliefert“;
  • „wenn der Versand oder Transport der Waren durch einen Dritten erbracht wird, die Verantwortlichkeit für die Lieferung der Waren indes ganz oder teilweise von dem Verkäufer an den Käufer übertragen wurde“;
  • „wenn der Verkäufer die Transportkosten an den Käufer weitergibt und von diesem beitreibt und dieses Geld sodann an den Dritten, der für den Versand und Transport der Waren verantwortlich ist, weiterleitet.“

Auch in „anderen Fällen“ wird der Verkäufern in Zukunft durch die belgischen Steuerbehörden als unmittelbar an dem Transport beteiligt angesehen, so zum Beispiel „wenn der Verkäufer aktiv gegenüber dem Käufer die Transportdienste eines Dritten bewirbt, den Kontakt mit einem Dritten vermittelt und diesem Dritten die für den Transport und die Lieferung der Waren notwendigen Informationen mitteilt.“

In der Mitteilung der Behörde findet sich exemplarisch das Beispiel eines belgischen Verbrauchers, der Waren auf einer deutschen Website bestellt. Der deutsche Verkäufer bietet sodann die Möglichkeit, die Waren durch ein Transportunternehmen, mit welchem der deutsche Verkäufer eng zusammenarbeitet, bei dem belgischen Abnehmer abliefern zu lassen. Entscheidet sich der Kunde für diese Option, so erfolgt die Abwicklung des Transports durch den deutschen Onlineshop; der belgische Verbraucher wiederum bezahlt den Kaufpreis, der die Transportkosten bereits enthält. Eine solche Warenlieferung ist als eine Lieferung inkl. Transport im Namen des Verkäufers zu qualifizieren. Diese Qualifizierung ist auch dann zu bejahen, wenn der Transport nicht durch den deutschen Webshop erbracht wird, sondern der belgische Kunde die Transportfirma unmittelbar bezahlt und der deutsche Webshop lediglich „die notwendigen Informationen für die Warenlieferung an den belgischen Verbraucher an das Transportunternehmen mitteilt“ (Beschluss Nr. E.T. 128.714 vom 09. Februar 2016).

 

4. Empfehlung

Aufgrund der erweiterten Definition und den verschärften Kontrollen der belgischen Behörden, ist für es Verkäufer, die Waren selbst oder in ihrem Namen nach Belgien versenden oder transportieren von großer Wichtigkeit, eine belgische MwSt.- Nummer zu registrieren, wenn sie die Lieferschwelle von € 35.000,- überschreiten. In der Folge ist sodann die auf diese Verkäufe anfallende belgische MwSt. an den belgischen Staat abzuführen (Art. 50- 51 belgisches MwStG).

Die Missachtung der Verpflichtung zur Zahlung der belgischen MwSt. wird durch die Behörden mit einer Geldbuße in Höhe des doppelten Betrages der nicht rechtzeitig in Belgien gezahlten MwSt. geahndet (Art. 70, § 1 belgisches MwStG). Zudem läuft auch der belgische Käufer Gefahr, Opfer seines fahrlässig handelnden Verkäufers zu werden: Missachtet der Verkäufer seine Pflicht zur Zahlung der belgischen MwSt., so kann der Verkäufer verpflichtet werden, die geschuldete MwSt. zu leisten. Die Tatsache, dass der Verkäufer bereits deutsche MwSt. abgeführt hat, ändert an diesem Umstand nichts: die Haftung des Käufers als „Vertragspartner“ für die Erfüllung der belgischen MwSt.- Verpflichtungen greift stets durch (vgl. Art. 51bis, § 1, 3° belgisches MwStG; Cass. 18. Dezember 2014, A.Z. F.13.0068.F/1; www.cass.be).

Will der Verkäufer somit die unter Umständen sehr hohen Bußgeldzahlungen vermeiden und zugleich seine Käufer nicht verstimmen, so sollte er bei Fernabsatzverkäufen nach Belgien die gesetzlichen Bestimmungen beachten und für eine ordnungsgemäße MwSt.-Registrierung und -Zahlung sorgen.

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