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Entwicklung der Rechtsprechung des Kassationshofes hinsichtlich des Phänomens der „Scheinselbstständigkeit" bestätigt

Entwicklung der Rechtsprechung des Kassationshofes hinsichtlich des Phänomens der „Scheinselbstständigkeit" bestätigt

Das Arbeitsgericht Brüssel wurde mit einer Klage befasst, in der festzustellen war, dass zwei Parteien durch einen Arbeitsvertrag im Sinne des Gesetzes vom 3. Juli 1978 über Arbeitsverträge gebunden waren, obwohl der zwischen den Parteien vereinbarte Vertrag den Titel „Contrat de Collaboration" (Vertrag über die Zusammenarbeit) trug und eine Beraterfunktion auf selbstständiger Basis zum Gegenstand hatte. Im vorliegenden Fall war eine Beraterin für eine internationale Vereinigung ohne Erwerbszweck (Organisation und Betreuung von Sitzungen, Recherchen, Gestaltung europäischer Projekte, usw.) tätig. Die Klägerin unterbreitete dem Gericht einige Parameter im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistungen und versucht damit, eine Weisungsgebundenheit zu beweisen.

Zur Begründung seines am 24. Oktober 2006 verkündeten Urteils hat das Gericht zunächst die grundsätzlich erhebliche Bedeutung der von den Parteien gewollten Qualifikationen ihres Verhältnisses betont (nach Maßgabe von Artikel 1134, Absatz 1 belg. BGB gilt: „Vereinbarungen, die gesetzlich geschlossen worden sind, gelten als Gesetz für diejenigen, die sie getroffen haben.").

Nachfolgend hat das Gericht zu Recht auf die Entwicklung der Rechtsprechung des Kassationshofes verwiesen (Kass., 23. Dezember 2002, J.T.T.2003, S. 271; Kass., 28. April 2003, J.T.T. 2003, S. 261), die von der üblichen Formulierung, der zufolge das Gericht nicht an die von den Parteien für ihr Verhältnis gewollte Qualifizierung gebunden ist, abweicht und im Grunde besagt, dass „das Gericht zum Grunde ein Vertragsverhältnis nicht anders qualifizieren kann als die Parteien, wenn die seinem Ermessen unterbreiteten Parameter einen Ausschluss dieser Qualifizierung nicht erlauben."

Im Zusammenhang mit den zu erbringenden Beweisen entspricht der Verweis auf Indizien – anhand derer auf das Bestehen einer rechtlichen Weisungsbefugnis je nach Triftigkeit des Hinweises erkannt werden kann oder nicht – somit nicht mehr der Aktualität. Nun gilt es herauszustellen, ob die dem Richter vorgelegten Parameter mit der gegebenen Qualifizierung vereinbar sind. Die Rechtsprechung hat sich demnach von der traditionellen „auf Indizien beruhenden" Methode (Analyse eines Indizienbündels, das je nach Fallstellung neutral ist, eine Weisungsbefugnis bestätigt oder diese belegt) zu einer auf der Analyse der nicht mit der vereinbarten Qualifizierung vereinbaren Parameter verschoben.

Vorliegend hat das Gericht darauf erkannt, das die ihm unterbreiteten Parameter (Antrag auf Genehmigung der Anweisungen zur Ausführung von Aufträgen, ...) nicht mit der von den Parteien vereinbarten Qualifizierung unvereinbar sind, und hat demzufolge den Antrag der Klägerin zurückgewiesen.

Zum Schluss sei im Zusammenhang mit der neuen vom Gesetzgeber zur Qualifizierung eines Arbeitsverhältnisses angenommenen Herangehensweise vermerkt, dass der neue Gesetzesentwurf über den Kampf gegen die „Scheinselbstständigkeit" von Ministerin LARUELLE unlängst erarbeitet wurde und offenbar zunächst das Prinzip der Willensautonomie der Parteien bestätigt. Meinungen hinsichtlich der einschlägigen Mechanismen sollten in Erwartung eines endgültigen Textes infolgedessen umsichtig gehandhabt werden.

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